Tuberkulose- Eine Privatsache?

Vitja ist 42 Jahre alt. Vor kurzem wurde er aus der Haft entlassen. Äußerlich scheint er ein junger, starker Mann zu sein, aber in die Freiheit wurde er mit einem Behindertenausweis entlassen.

„Ich habe Tuberkulose, fortgeschrittenes Stadium, stark hustend”, erklärt er. „Im Gefängnis habe ich mich angesteckt,  wir hatten einen Burschen dort mit der aktiven Form.”

Bei seinem Stadium liegt eine multiresistente Immunität vor. Das heißt, dass er sie nicht einfach mit Antibiotika loswerden kann, sondern mit dieser Diagnose wird die Therapie mehrere Monate dauern. Die Krankenschwester von der Ambulanten Pflege versteckt ihr Gesicht vor der Kamera.

„Fotografieren Sie mich bitte nicht, sonst bekommt die Leitung noch etwas davon mit. Schreiben Sie zum Beispiel, dass ich Soja heiße. -Genau so- Und jetzt können sie weiter schreiben. Was wollen Sie wissen? Wie unser Dienst arbeitet? Ja wie? Vor Arbeit ersticken wir!”

Soja sortiert nervös die Krankenakten auf dem Tisch. Es sind nicht nur zwei oder drei, sondern Dutzende. Hauptsächlich sind es Menschen nach Gefängnisstrafen, einige drogenkrank, andere mit dem „ganzen Packet”, also diejenigen mit Tuberkulose und Leberentzündung.

TUBERKULOSE – DIE TODESURSACHE BEI 35% DER HIV ERKRANKTEN

Aber auch Menschen ohne diesen Hintergrund erkranken an Tuberkulose, Bürger, Arbeiter mit Familie.

„Woher kommt diese Krankheit bei ihnen?”

„Durch ein ungesundes Leben. Stress, die Nerven, eine unregelmäßige Ernährung, wenige Vitamine, das kalte Klima… Hier auf diesem Röntgenbild können sie die Flecken erkennen.”

„Und wie geht es bei den Erkrankten weiter?”

„Es werden weitere Analysen gemacht, danach kommen sie ins Krankenhaus und dann zu uns. Es ist im Allgemeinen schwierig, aber wenn man kühlen Kopf bewahrt, kann man die Krankheit bekämpfen.”

„Wenn man die Krankheit bekämpfen kann, warum ist dann die Sterblichkeitsrate so hoch?”

„Es gibt zwei Gründe, warum es so viele Todesfälle gibt: Der Erste ist in medizinischer Hinsicht kompliziert, das können Ihnen besser die Ärzte erklären. Der zweite Grund ist Geld”.

„Inwiefern?”

„Die Krankenrente! Was gibt es dabei nicht zu verstehen? Glauben Sie, dass dieser ehemalige Häftling Vitja, der gerade auf seine Aufnahme wartet, behandelt wird?”

„Warum denn nicht?”

„Oh, ich bitte Sie. Solche wie ihn sah ich hier bestimmt schon Hunderte. Sie erhalten die Krankenrente und fallen dann aus der Behandlung. Sie leben von dieser Rente und geben sie nicht für die Behandlung aus.”

„Verzeihung, … aber dann stellt sich heraus, dass sie tatsächlich nicht lange leben.”

„Kurz, aber mir Kopeken. Für hundert Gramm wird es immer reichen.(Hundert Gramm sind ein Glas Vodka) Sie nehmen unsere Tabletten mit Alkohol. Was werden sie danach noch einnehmen? Das Traurige ist, dass sie Andere mit dieser gefährlichen Form dann anstecken.”

Soja weist hoffnungslos mit ihrer Hand in Richtung der dunklen Gänge des Krankenhauses, in denen Vitja hustend sitzt. Sie arbeitet hier mehr als ein Jahr und sieht keinen Ausweg aus der Situation.

Experten verweisen auf die Verbreitung der Krankheit und prognostizieren für das nächste Jahr einen Zuwachs der Angesteckten mit der hartnäckigen Form in Sibirien. Wenn es in Sibirien dieses Jahr 10 000 Infizierte gibt, wird es 2018 schon 500 mehr geben. Und jeder bewegt sich im Umfeld von Freunden und Familie, die sich damit unmittelbar in einer Gefahrenzone befinden und am Meisten riskieren. Die Ärzte informieren die Patienten sofort über diese Gefahr und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich oft sofort die ganze Familie prüfen lässt. Die Kinder werden sogar häufig in Sanatorien gebracht, weg von der Gefahr.

1-31

Ähnlich kam es bei Olga, einer jungen Mutter aus einer kleinen, provinziellen Stadt. Bei ihr hat sich die Erkrankung nicht sofort gezeigt. An den Abenden hatte sie öfters Schüttelfrost, leicht erhöhte Temperatur. Olga schob dies alles auf die Arbeit im Treibhaus. Dort hinter den dicken Gläsern liegt die Temperatur bei 25 Grad, ein gewaltiger Unterschied zu den Minusgeraden draußen, deswegen, so dachte sie, hätte sie sich einfach stark erkältet. Jedoch stellte sich bei der nächsten ärztlichen Untersuchung heraus, dass Olga Flecken auf der rechten Lunge habe. Nach weiteren Analysen und Konsultationen dann die Diagnose – Tuberkulose. Wo sie sich angesteckt hat? Wer daran schuld ist? Woher diese unerwartete Krankheit kommt? Diese Gedanken breiteten sich in ihr aus, ihr Chef rief an und bat sie, nicht mehr zu kommen. Auch ihre Familie zog sich zurück, wünschte ihr viel Erfolg bei der Behandlung, wollte aber nicht ihr Leben aufs Spiel setzten. Auf Beharren der Ärzte wurden die Kinder ins Sanatorium gebracht. Also was blieb? Sie war einsam, ohne Arbeit, ohne Geld, mit Depressionen, verlassen. Wie sollte sie jetzt noch leben? Ohne wirkliche Hoffnung ging sie zu den Ärzten. Sie werde die Krankenrente bekommen, aber um sie zu bekommen, müsse sie einige Monate warten.

„Diese Frau ist nicht für uns. Verweisen Sie sie in den Bereich Sozialschutz. Dort geben sie aber schon seit längerem keine Lebensmittelpakete mehr raus, anstelle der Pakete mit Konserven und Getreide, geben sie dort die Nummer von sozialen Organisationen raus, kann ihr damit geholfen werden?”

„Schon seit einigen Jahren hilft die Caritas Tuberkuloseerkrankten in Sibirien, vor allem in der Omsker Region”, erzählt die Vertreterin der Caritas Natalia Sokolova. „Ja die Statistiken verschlechtern sich in der Tat von Jahr zu Jahr zunehmend, doch das liegt in der Hand der Ärzte. Unsere Aufgabe hat reinen sozialen Charakter: Lebensmittelausgaben, Rechtsberatungen, Hilfe mit den Dokumenten.”

Das die Erkrankung eng verbunden mit den sozialen Hintergründen der Betroffenen ist, ist offensichtlich. Wenn das Leben ungesichert ist, keine vollwertige Ernährung gewährleistet ist und kaum Erholung stattfindet, kann sich Tuberkulose schneller ausbreiten. Ein weiterer nicht unerheblicher Punkt in diesem Zusammenhang ist die Behandlung und die soziale Rehabilitation ehemaliger Häftlinge. Hier geht die Tuberkulose in der Regel mit Alkoholismus, Drogenmissbrauch und den dazukommenden schlechten Bedingungen im Gefängnis einher. Wenn man also anfängt, etwas zu ändern, wenn man bei abhängigen Patienten schon einige Schritte Richtung Rehabilitation macht, sie von der Aussicht auf ein nüchternes Leben überzeugt, mit ihnen einen Plan erstellt, wie es weitergeht, dann kann die Ausbreitung der Infektion möglicherweise verlangsamt werden. Dabei wird deutlich, wie schwer dieser Weg ist, es überall Ecken und Kanten gibt, Rückschläge schon programmiert sind und auch, dass diese Rehabilitation finanziert werden muss…

In der Tat zählen nicht nur die Stärke und die Mittel, sondern vor allem der Wille. Die Entschlossenheit, den ersten ernsten Schritt in eine neue Richtung zu gehen. Wenn der Wille und die Entschlossenheit stimmen, können die schwierigen Aufgaben gelöst werden, aber noch gibt es Vitja, gibt es Olga. Vitja hat nach seiner Haft keinen Anhaltspunkt, keinen Ort, an dem er leben kann, aber er bekommt die Krankenrente und von ihr wird er leben und sich wahrscheinlich nicht von dem Geld behandeln lassen können. Olga, die junge Mutter, die nun schon einige Monate in diesem Alptraum lebt ist nun wenigstens nicht mehr ganz alleine, sondern hat Hilfe gefunden.

Aber dies sind nur zwei Geschichten, von Tausenden, sie finden nicht irgendwo statt, sondern hier, unter uns.

Die Arbeit mit Tuberkulosepatienten können sie JETZT und HIER auf der Seite der Caritas unterstützen. Danke!

 

Liebe Freunde liebe Spender!

Wenn Sie die Arbeit der Caritas in Westsibirien unterstuetzen wollen koennen sie die Bankverbindung des befreundeten Fondes in Deutschland benutzen.

Unsere Partnerorganisation, die Armen-Schwestern vom hl. Franziskus, stellen Ihnen gern eine Spendenbescheinigung für das Finanzamt aus, wenn Sie auf der Überweisung Ihre vollständige Adresse angeben.


Spendenkonto

Name des Kontoinhabers: Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus Elisabethstraβe 19 52062 Aachen

IBAN: DE05 3706 0193 1008 2481 99

BIC: GENODED1PAX (Pax Bank)

Zahlungsziel: Sibirienhilfe