Parallelen

Gestern traf ich meine ehemalige Studienkollegin aus der Parallelgruppe, mit der zusammen ich die Universität abgeschlossen hatte. Es war schon mehr als zehn Jahre her, aber wir erkannten einander sofort. Wir erinnerten an alten Witzen und anderes.

— Wie geht es Dir?

— Und Dir?

—  Wo arbeitest du?

— In der Werbebranche. Und du?

—Ich arbeite bei der Caritas. Das ist die katholische Organisation, wir unterstützen arme Menschen.

— In Afrika? – fragte Marina und lachte herzlich.

— Wieso in Afrika? Hier, bei uns.

— Haben wir auch Armut? – wundert sich sie. – Erzähle, womit du dich da beschäftigst. Verdunkle es nicht.

Ich erzählte Marina über die Projekte und über die Menschen, die zu uns kommen. Sie hört erste drei Minuten aufmerksam zu und fragt schließlich:

— WARUM TUST DU DAS?

Sie trinken Alkohol, schlagen sich und verlassen Kinder. Das sind ihre Probleme, die uns nicht betreffen. Wir sind aus der anderen Welt, aus der Parallelwelt. Komm zu uns arbeiten, ich helfe dir, bei uns angestellt zu werden. In unserer Agentur arbeiten erfolgreiche Menschen. Vielleicht wirst auch fröhlicher sein. Ich bin fest überzeugt: wenn man sich mit erfolgreichen Menschen unterhält, wird man selbst erfolgreich sein! Wir plauderten noch fünf Minuten über Nichts und gingen in verschiedene Richtungen…

Ich will nicht sagen, dass so ein Gespräch erstmals in meinem Leben passierte. Jedes Mal beweise ich meinen Bekannten in Gedanken, dass meine Arbeit Sinn macht. Ich erinnere mich an viele Geschichte und insbesondere an Olja…

Olja kam ins Familienzentrum mit einem Baby auf dem Arm. Sie war dünn und fast durchsichtig.

« «Mein Bruder und ich sind Zwillinge. Wir haben noch die Schwester, die 5 Jahre älter ist. Wir hatten eine normale Familie: die Mutter und den Vater. Die Mutter war als Putzfrau tätig, der Vater war Schweißer. Soweit ich zurückdenken kann, tranken meine Eltern Alkohol. Der Vater fing an, die Mutter unterstützte ihn. Das dauerte eine Woche oder zwei. Wir wohnten in einer Baracke. Dann trennten sich meine Eltern, weil mein Vater einmal mich so schlug, dass meine Nase gebrochen wurde. Die Mutter warf ihn aus dem Haus. Wie alt war ich? Vier oder fünf. Ich war klein, aber kann mich daran genau erinnern. Ich erinnere mich auch daran, dass neue Freunde meine Mutter ständig besuchten. Sie kochten etwas und gaben einander Spritzen. Mein Bruder und ich hatten zuerst vor ihnen Angst, aber später gewöhnten uns an. Zu jenem Zeitpunkt schliefen wir auf der Waschmaschine, weil Ratten auf dem Fußboden liefen. Später schlug der Nachbar meine Mutter halbtot. Sie konnte einige Zeit nicht gehen und blieb im Bett. Er sagte ihr: „Trinke lieber Alkohol. Aber hör auf, an der Spritze zu hängen. Innerhalb von zwei Monaten blieb sie zu Hause und nahm keine Drogen mehr. Alle ihre Freunde verschwanden. Sie füllte sich besser und kümmerte sich um uns. Aber ich mochte nicht lernen. Ich lernte im Internat, dann zu Hause. Aber schließlich brach ich die Schule ab.

Ich habe keine Freunde. Ich besuche meine Mutter nicht, sie trinkt Alkohol. Ich mag auch trinken. Mit 12 Jahren trinke ich Alkohol. Mit 9 Jahre rauche ich. Mein Bruder gab es auf, ich kann aber nicht. Das anhaltendstes Trinken dauerte bei mir ein Jahr, nachdem mein Cousin in die Armee gefahren war. Dann hatte ich eine Liebegeschichte. Wir lebten innerhalb von sechs Monaten zusammen, dann wurde ich schwanger. Mein Freund verließ mich sofort.

Ich brachte die Tochter Dascha zur Welt. Sie war groß, gesund und lächelnd. Von niemandem wurde ich aus der Geburtsklinik abgeholt. Ich musste zu meiner Mutter und ihrem Freund gehen. Täglich gab es Skandale und Schlägereien zu Hause. Ich bemühte mich, meine Tochter zu beschützen. Aber in einem Monat nahmen die Vormundschaftsorgane meine Tochter. Ich kam in die Klinik und sammelte Papiere, um das Kind wiederzubekommen. Niemand half mir und niemand glaubte mir. In den Vormundschaftsorganen behauptete man, dass die Bedingungen des Lebens und des Unterhalts der Gesetzgebung der Russischen Föderation nicht entsprechen. Mir wurde das Elternrecht entzogen. Meine Tochter wurde schnell von der anderen Familie adoptiert. Zuerst heulte ich, dann begann ich wieder zu trinken.

Am 8. März 2015 verbrachte ich die Zeit in einem neuen Kreis von Trinkbrüdern. In zwei Wochen stellte ich die Schwangerschaft fest».

Olja brachte die Tochter Sascha zur Welt, die sie grenzenlos liebt. Innerhalb von einem Jahr trinkt sie nicht. Sie mietet ein kleines Zimmer und macht sich Mühe. Wir glauben an sie, aber nicht sinnlos und nicht blind. Wir glauben an sie und unterstützen sie bei ihrer Entwicklung.

Im Lehrbuch für Geometrie für die 6. Klasse gibt es ein Parallelenaxiom. Aber N.I. Lobatschewski entwickelte eine Geometrie, in der das Parallelaxiom nicht gilt und die Kreuzung doch möglich ist! Im gewöhnlichen Leben sorgen die Menschen nur für sich selbst. Aber im christlichen Leben handeln die Menschen nach Evangelium „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mt 22:39). Die zweite Variante erfordert viel Anstrengungen, aber bringt reiche Frucht!

 

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