Eine altbekannte Geschichte?

Das ordentliche, akkurat gekleidete Mädchen eilt zur letzten Stunde dieses Schuljahres. Sie heißt Nastja und ist 10 Jahre alt. Ehrlich gesagt, freut sich Nastja nicht wirklich über die dreimonatigen Ferien. Nicht nur, weil sie Bestnoten in Russisch und Mathematik hat, sondern auch, weil ihr die Schule die Möglichkeit gibt, möglichst wenig Zeit Zuhause zu verbringen.

Doch was ist bei ihr Zuhause los? Ist dort etwas nicht in Ordnung? Sie sieht nicht so aus, als würde sie aus einem Haushalt mit Problemen kommen. Es kann nicht daran liegen, dass ihre Großmutter direkt nebenan lebt. Sie ist leise, sorgsam, fleißig. Und was ist mit Mama und Papa? Auch sie leben mit ihr zusammen, nur sind sie nicht mehr dazu in der Lage ihre eigene Welt von der Realität zu unterscheiden. Sie sind nicht arbeitslos, leben nicht von Sozialgeldern, aber nach der Arbeit trinken sie zusammen. Sie arbeiten beide auf dem Markt: Ihre Mutter in einem Kiosk für Spirituosen, ihr Vater hilft ihr in letzter Zeit. Früher arbeitete er in einem Busunternehmen, aber die ständigen Probleme mit dem Alkohol  führten zur Entlassung.

Wie es dazu kam, dass die Eltern der Drittklässlerin dem Alkohol verfielen? Wie so oft geschah es nicht von jetzt auf gleich, es fing mit einem Glas am Abend an, niemand hätte gedacht, dass dieser Familie etwas ähnliches passieren könnte. Aber es ist eben passiert. Die Mutter rechtfertigt es mit der Arbeit auf dem Markt, die im Winter bei Minusgraden im Zweistelligen Bereich kein Vergnügen ist und sie damit gegen die Kälte ankämpft und auch der Vater argumentiert in diese Richtung und sagt etwas über das niedrige Gehalt und die Sinnlosigkeit des Lebens im Allgemeinen. Es kann viel darüber spekuliert werden, was letztendlich zu der Alkoholsucht führte, Fakt jedoch ist, dass Nastja in einer Familie von Alkoholikern aufwächst. 

Das Jugendamt übertrug die Verantwortung für die Erziehung des Mädchens auf die Großmutter. Diese kümmert sich darum, dass das Mädchen gut und gepflegt aussieht, währt den Schein, versteckt die Tränen und die Unsicherheit des Kindes und die Probleme der Familie hinter einer rosigen Fassade. Manchmal denkt Nastja, dass sie an allem schuld ist, das sie ein schlechtes Kind ist, welches ihren Eltern nicht gefällt, mit dem sie gar nicht zufrieden sein können und das sie nicht lieben. Und die Großmutter? Sie ist gutherzig, liebenswürdig und kann nichts anderes tun als den Schein zu wahren und es zu ertragen. Aus Leibeskräften versucht Nastja ihren Eltern zu zeigen, wie sehr sie sie liebt und gibt sich in allen Dingen größte Mühe, doch diese scheinen dies und gar sie selbst als Tochter nicht wahrzunehmen.

Gedanken wie: „Vielleicht wäre es besser gewesen, sie hätten mich in ein Kinderheim gebracht.” kommen dem Mädchen nicht selten. Aber dann denkt sie an ihre Großmutter und sie verwirft diese Gedanken. Für diese ist das Mädchen ein Licht im Dunkeln, ihr Ein und Alles. Für sie lohnt es sich zu leben zu kämpfen. Was aus den trinkenden Eltern wird, kann sich die alte Dame schon vorstellen. In einem knappen Jahrhundert hat sie schon viel gesehen und erlebt. Aber wie kann sie ihre Enkelin davon bewahren? Den äußeren Schein kann sie aufrecht erhalten und das Mädchen damit vor Schmähungen und neugierigen Blicken schützen, aber wie kann sie ihr Inneres schützen? Jeden Tag wird sie von dieser Frage gequält und sie findet keine Lösung.


Es muss doch eine Lösung geben, mit Sicherheit. Kompliziert, umfangreich, vielschichtig aber es gibt eine. Ein erster Schritt in diese Richtung ist die Gruppe gegenseitiger Hilfe der Angehöriger von Alkoholiker. Diese Hilfe basiert auf einem 12 Punkte Programm und ist an Menschen wie Nastja und ihre Großmutter gerichtet. In dieser Gruppe bleiben die Betroffenen anonym, aber es wird vollkommene Offenheit über die Probleme und Gefühle der Mitglieder gefordert, um sinnvoll und ernsthaft arbeiten zu können.

Wir reden mit der Großmutter über diese Möglichkeit. Ihre erste Reaktion – Ablehnung. Wenn wir selber weniger oder mehr damit zurechtkommen, warum sollen wir dann unsere Probleme an die Öffentlichkeit tragen? Allerdings kann sie selbst die noch kommenden Folgen des Alkoholismus von Nastjas Eltern nicht einschätzen. Sie denkt nach. Es ist ihr peinlich, solche Probleme zu haben und noch mehr, diese anzuerkennen. Ihr wurde von Kindesbeinen beigebracht, über private Dinge und Ungereimtheiten zu schweigen, die Familie vor neugierigen Blicken und Schwätzern zu schützen. Doch in dieser Gruppe, haben alle ähnliche Dinge wie sie durchlebt, sind in der gleichen Situation, wovor also schämen? Vielleicht sollte sie doch hingehen? Sie denkt noch einige Zeit nach und verspricht Anfang Juni zu dem ersten Treffen zu kommen. Wir hoffen, dass sie es sich bis dahin nicht anders überlegt …   

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