Blumen

Um Punkt Neun Uhr morgens klingelt das Telefon im Büro des Mutter-Kind-Heims. Besorgte Bewohner aus dem fünfgeschossigen benachbarten Hochhauses riefen an. In diesem Hochhaus lebt nämlich unter anderem eine Frau mit zwei Kindern, der Vater ist vor einem halben Jahr verschwunden, angeblich auf Montage und seit dem kann die Mutter ihre Familie nicht mehr richtig ernähren. Sie werden ihnen helfen, ja? Die Sozialarbeiterin entschied sich dazu, erst mal die Informationen zu überprüfen und befand sich fünf Minuten später in dem schlecht beleuchteten, grauen Treppenhaus und stieg keuchend die vielen Treppen hinauf. Es stellte sich heraus, dass die Mutter, von der ihr erzählt wurde im vierten Stockwerk wohnte und nicht eine Wohnung mietete, sondern nur ein winziges Zimmer mit einem einzigen Bett bezog, im Stil einer Chruschtschowka, so werden die Wohnungen genannt, die in den 1960er 1970er Jahren auf Grund der Wohnungsknappheit in besonders billiger Bauweise unter dem Präsidenten Nikita Chruschtschow gebaut wurden und für den geringen Wohnkomfort verrufen sind.

Die Miete für die alte unkomfortable Wohnung” beträgt 2500 Rubel, ca. 40,50 Euro im Monat. Hier lebt tatsächlich eine ganze Familie, die Mutter Suchra, und die Kinder Mariam und Karim. Im Zimmer nebenan lebt ebenfalls eine Familie, ein Junge sitzt auf dem Sofa, der andere auf dem Boden oder auf dem Bett. Geld besitzt hier keiner, sie sind nur froh darüber, ein Dach über dem Kopf zu haben. Es wurde sofort klar, dass diese Situation für die Kinder nicht zumutbar ist, deswegen wurde  nicht lange überlegt, sondern sofort die Sachen zusammengepackt. Die Kleidung und Schuhe wurden alle in den drei chinesischen Handtaschen verstaut und so nahmen die Zimmerpflanzen die größere Fläche des Caritasbullis ein. Kakteen, Geranien, ein Gummibaum usw. befanden sich in alten Majonesetöpfen und mit einem Blick auf dieser tropischen Vielfalt legte die Sozialarbeiterin die Stirn in Falten.

Vielleicht könnten Sie einen Teil der Pflanzen hier lassen?”

„Nein, ohne mich würden sie hier sofort eingehen und ich würde mich schämen, so als ob ich sie verraten hätte.”

„Wofür haben sie hier so viele Blumen?”

„Oh, das ist eine Tradition unserer Familie”, lächelte sie und begann die Blumen in den Bulli zu räumen.

Von dieser interessanten Familientradition erzählte uns Suchra später. Vor vielen Jahren lebte sie mit ihrer Mutter in einer kleinen, heißen Stadt in Usbekistan. Und in dieser Stadt gibt es die Tradition, regelmäßig die anderen Bewohner zu besuchen. Nicht etwa um direkt zu fragen, wie es einem gehe, oder Hilfe anzubieten, sondern um sich über die häusliche Einrichtung ein Urteil über das Wohlbefinden zu bilden. Dort trifft man sich auf der Straße und erzählt sich Dinge wie „was kann ich sagen, mein Freund lebt, er besitzt drei große Sofas, fünf Samarkand Teppiche, edles Geschirr…” Naja oder auch umgekehrt, „Ich habe schon viel Zeit bei ihnen zuhause verbracht und gleich gemerkt, ärmere Leute habe ich noch nicht gesehen.” Wenn man diesen Ruf des Pechvogels einmal hat, wird man ihn nicht so leicht wieder los und man wird dort sein Leben lang als Verlierer abgestempelt.

Da Suchra und ihre Mutter sehr arm waren, sich aber nicht von den Nachbarn und Freunden schämen, und den damit verbunden Problemen aus dem Weg gehen wollten, denn welcher künftige Bräutigam, würde bei armen Leuten vorbeischauen, überlegte sich die Mutter einen Trick. Eines Tages brachte sie Töpfe mit Erde ins Haus und nach einem Monat begannen daraus Blumen zu wachsen. Bald darauf verwandelte sich ihr sonst so bescheidenes Haus in ein Treibhaus und immer mehr neugierige Nachbarn kamen herein und bewunderten die Vielfalt, so ein grünes Haus hätten sie noch nicht gesehen, es sei ja wie ein kleiner Garten. Dadurch achtete niemand mehr auf das einfache tönerne Geschirr auf dem Tisch, auf die kleinen Flickenteppiche und das schlichte Sofa. Alle schauten begeistert auf die Blumen. Seitdem begleiten ihre kleinen grünen Freunde Suchra, wo sie auch hinzieht. Auch wenn sie sich in schwierigen Situationen befindet, machen ihr die Blumen Freude und inspirieren sie und so haben wir nun ein  Zimmer im Mutter-Kind-Heim, welches immer nach Blumen riecht.

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Nach ein paar Monaten, fand Suchra einen Mann. Auch er befand sich in einer schwierigen Situation, aber er nahm Suchra mit ihren beiden Kindern zu sich.

Seit dieser Geschichte sind schon einige Jahre vergangen, die ältere Tochter hat schon die zweite Klasse erfolgreich beendet, Suchra und ihr Mann arbeiten beide und haben einen Kredit für ihr Haus aufgenommen. Trotzdem kommt Suchra regelmäßig ins Mutter-Kind-Heim, erkundigt sich über die Mitarbeiter, über die Mütter und Kinder. Und jedes Mal bringt sie ein neue Pflanzen mit , nicht weil es für sie Zuhause keinen  Platz gibt, sondern weil es den anderen Frauen in schwierigen Situationen eine Freude bereitet und kleine Zeichen der Hoffnung sind.

 

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